Funktionelle Autoantikörper gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren

Mögliche Ursache von Long Covid und dem Post-Vakzin-Syndrom?

antibodies

Hintergrundwissen und Theorie

Eine der aktuell vielversprechendsten Theorien zu Long Covid vermutet die Ursache in einem Autoantikörper vermittelten Prozess. Ausschlaggebend hierfür sind die Forschungen des Berliner Unternehmens “Berlin Cures” in Kooperation mit der Uniklinik Erlangen.

Primär geht es hier um Long-Covid Patienten. Die Forschenden äußern in Ihrem Paper allerdings auch einen Verdacht (!), dass ähnliche Mechanismen auch nach Impfung zum Tragen kommen könnten. Dieser Verdacht scheint sich aktuell zu bestätigen.

Berlin Cures forscht bereits seit vielen Jahren an einer speziellen Gruppe von Autoantikörpern, nämlich die der funktionellen Autoantikörper (fAAK). fAAK sind überwiegend aus dem Bereich der kardiovaskulären und neurodegenerativen Erkrankungen bekannt. Sie unterscheiden sich aber stark von “klassischen” Autoantikörpern (AAK). Bei klassischen Autoimmunerkrankungen wird das Immunsystem durch fehlgebildete Antikörper dazu verleitet, sich gegen körpereigene Zielstrukturen zu richten. Die Folge können Entzündungen und Organschäden sein.

Funktionelle Antikörper hingegen haben einen anderen Wirk- und Schadensmechanismus im Körper. Normalerweise nutzt der Körper Botenstoffe (physiologische Liganden) wie beispielsweise Adrenalin, um Signale in die Zellen zu übertragen, um dort nötigen Prozess zu aktivieren. So sind beispielsweise beta-adrenerge Rezeptoren zentral für die allgemeine Regulierung der Herzfunktion[1]. Beta-adrenerge Rezeptoren gehören, wie viele weitere Rezeptoren, zur Familie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCR). “GPCR sind an der Verarbeitung zahlreicher Signale beteiligt – von Sinnesreizen über die Stoffwechselregulation, Entzündungsprozesse, Chemotaxis, Endo- und Exozytose bis zu Zellwachstum, -differenzierung und -tod”[2].

fAAK übernehmen nun fälschlicherweise die Funktion von körpereigenen Botenstoffen und binden unkontrolliert an ihrem jeweiligen Rezeptor und führen so zu einer Aktivierung des Rezeptors. Dies löst entsprechende “second messenger”- Mechanismen in der Zelle aus. Durch die langanhaltende Bindung der fAAK an den Rezeptoren werden funktionelle und strukturelle pathologische Veränderungen in der Zelle ausgelöst, welche letztlich zu einer “funktionalen Autoantikörperkrankheit” führen können.[2]

Erkenntnisse aus der Forschung

Eine zentrale Erkenntnis der Forschenden um Dr. Gerd Wallukat ist, dass bei Long-Covid Patienten gehäuft diese speziellen funktionellen Autoantikörper (GPCR-fAAK) nachgewiesen werden konnten. Wallukat et al. untersuchten dafür die Seren von 31 Patienten mit Long-Covid Symptomen. Bei allen Untersuchten Patienten ließen sich funktionale Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren nachweisen. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Gesunden diese Art von Autoantikörpern nur bei einem sehr geringen Prozentsatz von Menschen nachzuweisen sind. [3]

Die Autoren vermuten daher, dass diese speziellen Autoantikörper (in Kombination mit anderen Prozessen, wie z.B. Entzündungsprozessen) auch eine Rolle bei der Pathogenese von Long-Covid spielen können (ebd.). Eine Entfernung dieser Autoantikörper mittels Immunadsorption führte bei anderen Krankheiten, die mit fAAK assoziiert sind, zu einer Verbesserung der Symptomatik (ebd.). Diese Forschungen beziehen sich allerdings auf Long-Covid Patienten nach Sars-Cov-2 Infektion. Den Zusammenhang zur Impfung skizzieren die Forscher wie folgt:

“The Sars-CoV-2 spike protein is a potential epitopic target for biomimicry-induced  autoimmunological processes. Therefore, we feel it will be extremely important to investigate  whether GPCR- f AABs will also become detectable after immunisation by vaccination against the virus.” (ebd.)

Zu Deutsch: Die Autoren bezeichnen das SARS-CoV-2 Spike Protein als potenzielles Ziel für autoimmunologische mimicry Prozesse. Aus diesem Grund halten Sie es für unabdingbar zu untersuchen, ob die gefundenen Autoantikörper auch nach Impfung im Körper entstehen können.

Diese Vermutung scheint sich aktuell immer mehr zu bestätigen. Zum einen berichten zahlreiche Mitglieder des Forums über positive GPCR-fAAK Befunde nach Impfung, zum anderen gibt es Fallberichte, in welchen das Vorliegen von GPCR-fAAK mit schweren Entzündungsyndromen (MIS) nach mRNA Impfung korrelieren[4]. Funktionelle Autoantikörper reagieren im Gegensatz zu klassischen Autoantikörpern nicht direkt auf eine Immunsuppression. Einzig eine Blockade der Rezeptoren mit ihren entsprechenden Antagonisten wäre denkbar. Beispielsweise kann ein selektiver Beta1-Blocker (z.B. Metoprolol), den Beta1-adrenergen Rezeptor blockieren, sodass dieser nicht mehr für eine Belegung durch beta1-fAAK zur Verfügung steht. Viele Betroffene haben allerdings fAAK gegen verschiedene Rezeptoren. Dies macht eine pharmakologische Intervention unpraktikabel, da mehrere Antagonisten genutzt werden müssten und man damit natürlich auch deren Wirkung und Nebenwirkung ausgesetzt wäre. Zudem würde damit die eigentliche Ursache nicht behandelt werden.

“Einzig die Entfernung der Autoantikörper aus dem Patientenblut zeigte bislang einen überzeugenden Nutzen im Vergleich zur antiinflammatorischen und immunmodulierenden Standardtherapie.”[2] Die Firma Berlin Cures hat ein Medikament (BC007) entwickelt, welches diese Art von Autoantikörpern zu neutralisieren vermag. Dieses Medikament könnte also eine Alternative zur sehr teuren und logistisch aufwendigen Immunadsorption darstellen. Ursprünglich wurde BC007 für Herzerkrankungen entwickelt und hat noch keine Zulassung. Dafür sind weitere Medikamentenstudien erforderlich. Es gab allerdings schon erfolgreiche Heilversuche bei Long-Covid Patienten an der Uniklinik Erlangen.

“Ein Long-Covid Patient der Uniklinik Erlangen wurde erfolgreich mit BC 007 behandelt. Der Patient hatte bestimmte GPCR-Autoantikörper im Blut. Die Symptomatik des 59-jährigen Patienten hat sich nach der einmaligen BC 007 Therapie drastisch verbessert, ebenso wie die Mikrozirkulation, die im Augenhintergrund gemessen werden kann. Die Autoantikörper sind nun nicht mehr nachweisbar.”[5]

Zwischenzeitlich wurden weitere Patienten erfolgreich behandelt [6]. Der detaillierte Fallbericht über den genannten Patienten ist hier zu finden (Case Report).

Bis zu einer Zulassung des Medikamentes bedarf es weiterer klinischer Studien. Vor kurzem wurden Forschungsgelder vom Bund für eine Phase 2 Medikamentenstudie für BC007 genehmigt [7]. Die klinische Phase 2 Studie soll Anfang 2022 starten. Daher ist leider nicht davon auszugehen, dass BC007 in den nächsten Monaten für die allgemeine Anwendung am Patienten zur Verfügung stehen wird. Nur wenige Labore in Deutschland testen auf agonistische, funktionelle Autoantikörper. Generell ist diese Gruppe von AAK in der Ärzteschaft scheinbar (noch) sehr unbekannt, auch wenn die fAAK bereits 1987 zum ersten Mal durch Dr. Gerd Wallukat beschrieben wurden.

Folgende Labore bieten einen Test auf verschiedene GPCR-AAK an:

Quellenangaben:

[1] Wachter et. al., 2012: Beta-Adrenergic Receptors, from Their Discovery and Characterization through Their Manipulation to Beneficial Clinical Application

[2] Trillium Diagnostik, 2021: Funktionelle Autoantikörper Neue Spieler im Orchester der  Autoimmunität 

[3] Wallukat et al., 2021: Functional autoantibodies against G-protein coupled receptors in patients with persistent Long-COVID-19 symptoms

[4] Buchhorn et al. 2021 Autoantibody Release in Children after Corona Virus mRNA Vaccination: A Risk Factor of Multisystem Inflammatory Syndrome?

[5] Berlin Cures, 2021 Long-Covid Patient erfolgreich mit BC 007 behandelt

[6] Uniklinik Erlangen, 2021:  Long-COVID-Medikament: Hilfe für weitere Betroffene

[7] Uniklinik Erlangen, 2021: Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert auch ein Forschungsprojekt der Erlanger Augenklinik