Am 12. Juni 2022 nahm Karl Lauterbach erstmals Stellung zu langanhaltenden Impfnebenwirkungen der Covid-Schutzimpfungen. Anlass seiner Stellungnahme war ein Artikel von SPIEGEL Online, der das sog. Post-Vac-Syndrom thematisierte und insbesondere die fehlende Reaktion der verantwortlichen Stellen hierauf kritisierte.
Lauterbach twitterte in Reaktion hierauf:
Guter Artikel. Post-Vac-Syndrom muss besser untersucht werden. Wir empfehlen die Impfung gegen COVID und gegen Post-COVID. Der Nutzen übersteigt das Risiko in jeder Altersgruppe. Trotzdem ist Post-Vac kein Tabuthema und muss erforscht und behandelt werden.
Karl Lauterbach auf Twitter, 12.06.2022
Eine Reaktion von Lauterbach zu dem Post-Vac-Syndrom war aus Sicht Betroffener längst überfällig und wurde dementsprechend als richtig und wichtig gewertet. Es bestand die Hoffnung, dass das Thema endlich in der Politik angekommen sei und nun dringend notwendige Handlungen in Form von Anlaufstellen und Forschung folgen würden.
Die große Ernüchterung ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Schon am 16. Juni 2022 äußerte sich Lauterbach auf Twitter in seinem neuen Format namens #KarlText erneut zu der Corona-Schutzimpfung und hierbei auch zu den auftretenden, lang anhaltenden Nebenwirkungen. In diesem rund zweiminütigen Video beantwortet der Bundesgesundheitsminister verschiedene Fragen.
Untererfassung vom Post-Vac-Syndrom
Lauterbach gibt an, dass insbesondere schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten seien. Das in der Regel eine mehrere Monate anhaltende Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehende Post-Vac-Syndrom dürfte eine schwerwiegende Nebenwirkung sein. Bei einem Großteil der Betroffenen dauern die Beschwerden bereits seit über 6 Monaten an, was daher auch die Definition eines Impfschadens erfüllt. Wie Lauterbach zu der Annahme kommt das Post-Vac-Syndrom trete nur sehr selten auf ist nicht nachvollziehbar. Es gibt für das Post-Vac-Syndrom keine funktionierenden Meldeketten.
Die Mehrzahl der von dem Post-Vac-Syndrom Betroffenen aufgesuchten Ärzte hat eine Meldung nicht vorgenommen. Nach einer eigens durchgeführten Umfrage mit ca. 800 Teilnehmern hat nur ca. 25% der Ärzte die Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet. Trotz Meldepflicht. Eine Auswertung der Umfrage wird in Kürze auf dieser Webseite erscheinen.
Die Eingangsbestätigungen des PEI auf die von den Betroffenen selbst vorgenommenen Meldungen zeigen, dass das PEI diese Meldungen, wenn überhaupt, erst etliche Monate später erfasst und verarbeitet. Uns liegen beispielsweise Meldungen Betroffener aus Anfang Dezember vor, auf die das PEI erst Ende Mai mit der Bitte um Einreichung weiterer Unterlagen reagierte. Andere Betroffene berichten, dass Ihre Meldung aus Juni 2021 erst im Mai 2022 offiziell vom PEI quittiert wurde.
Klinischer Phänotyp Post Vac Syndrom
Sodann definiert K. Lauterbach das Post-Vac-Syndrom. Ihm zufolge handele es sich dabei um eine Form von Konzentrationsschwäche.
All die anderen, langanhaltenden, beeinträchtigenden und in der Regel eine viele Monate andauernde Arbeits- und Alltagsunfähigkeit bewirkenden Symptome und Beschwerden, welche ebenfalls zum Post-Vac-Syndrom gehören (u.a. Kribbeln, Taubheitsgefühle, Brennen, Erschöpfung, Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Magen-Darm Beschwerden, Kopfschmerzen, Brain Fog, Gewichtsverlust, Angststörungen, Sehstörungen, Herzrasen/-schmerzen, Druckgefühl in der Brust, Atemnot, Pulsrasen usw.) werden von ihm mit keinem Wort erwähnt. Das erweckt bei Betroffenen zwangsläufig den Eindruck der Verharmlosung ihres komplexen Krankheitsbildes.
Selbst die unbestreitbar als schwerwiegend geltenden Nebenwirkungen wie Perimyokarditiden, vakzininduzierte Inflammationsreaktionen, Small Fiber Neuropathien und auch die eine Autoantikörperbildung nach sich ziehenden Autoimmunreaktionen werden irritierenderweise mit keinem Wort erwähnt.
Schweregrad vom Post-Vac-Syndrom
Sodann stellt Lauterbach einen Vergleich zu Post-Covid her. Das Post-Vac-Syndrom sei nicht so schwer und zudem viel seltener als das durch das Virus selbst verursachte, als Long Covid bekannte Krankheitsbild. Wiederum ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Daten- und Forschungsgrundlage Lauterbach zu dieser Annahme gelangt. Diese Aussage wurde bereits von dem führenden Wissenschaftler bezüglich Post-Vac, Prof. Bernhard Schieffer, kritisiert. Er stelle im seinem klinischen Alltag keineswegs fest, dass Post-Vac ein milderes Erkrankungsbild im Vergleich zu Long-Covid zeige.
Leider decken sich ihre Äußerungen zu #Schweregrad von Post-Vac der geringer als Long-Covid sein soll nicht mit unseren klinischen Erfahrungen.
Prof. Bernhard Schieffer, Klinikdirektor Kardiologie Uniklinik Marburg auf Twitter, 17.06.2022
Trotz weltweitumfassender und intensiver Forschungen über einen Zeitraum von mittlerweile mehr als 2 Jahren sind die zu Long Covid führenden Mechanismen ebenso wenig bekannt, wie Heilungs- und Behandlungsoptionen oder langfristige Auswirkungen dieser Erkrankung auf die Gesundheit und die Lebenserwartung der Betroffenen. Für das Post-Vac-Syndrom gilt dies auf Grund fehlender Anerkennung und Forschung im Besonderen.
Lauterbach selbst hatte wie eingangs erwähnt selbst ja erst am 12.06. bezugnehmend auf den Spiegelartikel eine Erforschung des Post-Vac-Syndroms gefordert. Diese dürfte bis zum 16.06. kaum abgeschlossen gewesen sein, weshalb die Äußerungen in dem Video sehr irritieren.
Ob und welche dieser Erkrankungen schwerwiegender ist, kann derzeit nicht seriös beantwortet werden. Welche Erkrankung häufiger ist, kann schon deshalb nicht annähernd beantwortet werden, weil keine der beiden Gruppen systematisch erfasst wird. Schätzungen gehen zwar davon aus, dass wohl mindestens 10% aller Infizierten Long Covid entwickeln, es sind aber nicht 10% aller Infizierten monatelang arbeitsunfähig, wie das beim Post-Vac-Syndrom in der Regel der Fall ist.
Wenn man die Häufigkeit der Krankheitsbilder vergleichen wollen würde, müsste man also zunächst systematisch und detailliert die jeweils Betroffenen, ihre einzelnen Symptome und insbesondere das jeweilige Ausmaß der Symptome erfassen. Dies erfolgt bisher jedenfalls nicht flächendeckend und schon gar nicht in einem eine schematische Auswertung ermöglichenden, ausreichenden Umfang. Die Pflicht und Verantwortung für eine solche Studie liegt beim Bundesgesundheitsministerium sowie dem Paul-Ehrlich-Institut und damit auch beim Gesundheitsminister Lauterbach.
Fragen bleiben unbeantwortet
Zuletzt geht Lauterbach auf den bisherigen Umgang mit Nebenwirkungen unter Nennung des Impfstoffs von Astra Zeneca und die hierdurch verursachten Hirnvenenthrombosen ein. Man habe in diesem Fall angemessen reagiert und setze den Impfstoff heute nicht mehr ein.
Was dies für das Post-Vac-Syndrom bedeutet, führt K. Lauterbach sodann leider nicht aus. Sollen die von dem Post-Vac-Syndrom Betroffenen nach seiner Auffassung weiter geimpft werden? Beabsichtigt er, vor der für den Herbst zu erwartenden, neuen Impfkampagne herauszufinden, welche Personen im Hinblick auf das Post-Vac-Syndrom besonders betroffen sind und diese von etwaigen Impfpflichten auszunehmen? All das bleibt leider unklar.
Zum Schluss folgt die immer wieder vorbehaltlos getätigte Aussage, dass die Impfung vor Long Covid schütze. Nach einer von vielen Studien ist das Risiko an Long Covid zu erkranken bei einer Durchbruchsinfektion nur um 15% vermindert (vgl. z.B. Pharmazeutische-Zeitung). Ob die Impfung nun zum Schutz vor Long Covid zu empfehlen ist oder das Risiko, durch die Impfung Long Covid ähnliche Symptome zu entwickeln nicht höher ist, kann wie bereits ausgeführt an dieser Stelle mangels vernünftiger Datengrundlage nicht seriös beantwortet werden. Die einzig seriöse Antwort auf diese Frage wäre: “Wir wissen es nicht, aber wir werden es erforschen.”
Bis heute gibt es keine ausreichende und zielführende Behandlungsoption für Post-Vac-Betroffene.
Solange führende Politiker wie Gesundheitsminister Lauterbach das Post-Vac-Syndrom verharmlosen ist leider auch nicht zu erwarten, dass sich hieran etwas ändern wird.
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